Presseartikel

 

Ennenda - Mittwoch, 9. Mai 2018 05:25

 

Kultur

 

Der etwas andere Märchenprinz im Anna – Göldi Museum

 

Von: Peter Meier

 

Was ein Märchenprinz im Ennendaner Anna – Göldi - Museum zu suchen und vielleicht zu finden hat ? Die beiden Kunstschaffenden Biggi Slongo und Bettina Schröder geben mit ihrer Ausstellung Impulse, die nachdenklich stimmen, aufzeigen, dass im Bereich des Frauenrechts und der Gleichstellung auch in der heutigen, nach aussen so aufgeklärten und gerechten Zeit immer noch schmerzliche, irgendwie unverständliche Lücken bestehen. Die inhaltlich starken, eigenwillig geschaffenen Objekte bleiben bis zum 27. Mai ausgestellt.

 

 

Biggi Slongo (links) und Bettina Schröder beim überdimensionierten, leicht angefaulten Apfel (Bild: p.meier)

 

Einst buhlte der Märchenprinz um eine unnachahmlich schöne Partnerin. Man schwebte auf Wolken, fern aller Realitäten und erkannte mit der Landung in der Wirklichkeit mit Partnerschaft, Heranwachsenden, Arbeit, Rollenzuteilung in der Erledigung verschiedenster Arbeiten, Berufsleben und gesetzlich Vorgegebenem, dass halt alles ganz anders als erhofft

Ist. Es kommen Spannungen, Schuldzuweisungen, Heftiges, Verletzendes mit immensem Unverständnis gegenüber  dem andersdenkenden und handelnden Partner auf. Es kommt zur Trennung. Es wachsen Zorn und Auflehnung wegen gesetzlichen Vorgaben.

Das weite, mit Spannungen verhaftete und Teile unserer Gesellschaft belastende Spannungsfeld wird mit dem eigenwilligen und mutigen Gestalten von Biggi Slongo und Bettina Schröder ausgedeutet. Vieles wird thematisiert, was einer Lösung bedarf, anderes ist Wirklichkeit. Der unübersehbar grosse, rote Apfel, leicht angefault am Eingang im EG prangend, stimmt ein. Hilfreich ist das Studium der in einem Katalog festgehaltenen Gedanken und Deutungen. Zu diesem Apfel gehört ein Zitat, das zahlreiche Inhalte der geschaffenen Objekte einschliesst: «Nicht die Sünde wurde geboren, als Eva den Apfel pflückte. Geboren wurde an diesem Tag vielmehr eine grossartige Tugend, Ungehorsam genannt.»

Fridolin Elmer als belesener Gastgeber gab seiner verständlichen Freude Ausdruck, dass so viele Gäste, unter ihnen Walter Hauser, Präsident des Stiftungsrates, einige aus Deutschland und den Niederlanden angereist, an dieser doch besonderen Vernissage teilnahmen. Er versuchte, zwischen Anna Göldi und Biggi Bruhin gewisse Parallelen zu ziehen – ein gewagtes Unterfangen ! Anna Göldi wehrte sich gegen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung, bezahlte das nach einem Aufsehen, nicht nur aus heutiger Sicht absolut skandalösen Hexenprozess mit dem Tode. Sie war – wie  Biggi Bruhin – eine Fremde, die sesshaft werden wollte. Sie sah sich ebenfalls mit Ungerechtigkeiten bezüglich Frauenrecht, Arbeit und Lohn, Familienrecht, gültigen gesetzlichen Regeln, die den Mann eindeutig bevorzugten, konfrontiert, wehrte sich dagegen. Sie musste zur Kenntnis nehmen, dass der Kampf um Besserstellung und Gleichstellung mühsam und aufreibend ist. Sie fand – anders als Anna Göldi – bessere Resonanz, stiess auf Verständnis, erreichte mit anderen dauerhafte Verbesserungen.

Andrea Trummer hielt eine stark beachtete Laudatio. Auch sie weiss, dass Frauen ihre Rechte erkämpfen mussten, auf die Barrikaden stiegen, sich lautstark bemerkbar machten – und erfolgreich waren, angehört wurden. Sie kam zu geschichtlichen Fakten wie Frauenstimmrecht, neues Kindsrecht im Jahre 1978 und zehn Jahre später das neue Eherecht. Und später, das war 2004, Gewalttaten in der Ehe als Delikte im Gesetz aufgenommen. Vorher hatte der Mann Rechte, die aus heutiger Sicht unverständlich sind, das war für Frauen einschränkend, absolut diskriminierend. Sie befasste sich mit der Gleichstellung in Beruflichem samt Entlöhnung, dem schwierigen Spagat zwischen Beruf, Familie und Politik. Andrea Trummer bedauert, dass politische Themen zu oft nur dann interessieren, wenn damit persönlicher Profit verbunden ist. Sie sprach sich für eine Frauenquote in Parlamenten und beruflichen Verantwortlichkeiten ganz deutlich aus. Frauen, so meint sie, seien zuweilen politisch müde geworden. Sie zeigte sich erfreut, dass mit den Inhalten dieser Ausstellung ein gutes, sich hoffentlich deutlich nachhaltig auswirkendes Sensibilisieren erfolgt ist. Sie kam kurz auf einige Ausgestaltungen zu reden. Da ist der weitherum sichtbare Blutstropfen, es sind die fast militärisch geordneten Teppichklopfer, die mit Metallkettchen festgehaltenen Puppen in den kleinen Vogelnestchen, die sich geniesserisch räkelnde, und doch klagenden, Hilfe suchende Puppenschar, reale Fotos aus Biggi Slongos Jugendjahren, der in mühsamer Handarbeit entstandene, beinahe  fünf Meter lange Teppich mit dem silbernen, sich verbreiternden Band auf der Seite, das markiert unter anderem die Ausweitung der Frauenquoten, von echter, anerkannter und praktizierter Gleichstellung immer noch weit entfernt. Mittels Videoinstallation mit dem Titel «Weniger als die Hälfte» wurde gezeigt, wie Bettina Schröder bei dieser riesenhaften, mehrere Monate andauernden «Lismete» vorging, was sie zuweilen andachte und deutete. Vieles ist durchaus partnerschaftlich, einvernehmlich gewachsen – und das beeindruckt nachhaltig. Der blaue See aus gestrickten Plastik-Tragtaschen symbolisiert die Tränen, die Frauen geweint haben, als ihnen Unrecht ang4etan wurde, als sie rechtlich nicht geschützt waren.

Die Eheleute Bettina Schröder und James Smith boten Musikalisches an. Die Titel der Stücke wurden kurz erläutert. Es waren willkommene Unterbrechungen zu vielen Aussagen.

Mit drei witzigen Gedichten samt klugen Pointen wies Bettina Schröder, von ihrem Ehemann mit der Gitarre begleitet, auf Vergangenes und Neuzeitliches hin, verknüpfte Fakten, Hoffnungen und Erwartungen.

Dass der Ausstellungsraum auf allgemeine Bewunderung stiess,  ist nicht weiter verwunderlich. Das oberste Geschoss dieses Hänggiturms ist eine gar meisterhafte, handwerklich ungemein kühne und baulich bestechend schöne Konstruktion – für weitere Ausstellungen, Tagungen und anderes sehr geeignet.

Beim offerierten Apero ergaben sich oft lange, themenbezogene Gespräche, auch zu den präsentierten Objekten, die so farbig, mutig, keck, aussagestark sind und zu einem Besuch bis spätestens 27. Mai (immer von Mittwoch bis Sonntag ab 13.30 bis 18.00 Uhr) geradezu einladen. (Text: Peter Meier)